#016 – Vejer de la Frontera

Es ist Samstag, der 13. Januar. Der Tag, an dem Chris zurück nach Wien fliegt und an dem für uns beide wieder ein ganz neuer Abschnitt beginnt. Für ihn der Schritt zurück in ein Leben in der Großstadt, neuer Job, Wohnungssuche – und für mich ein Leben als Solo Traveler. Obwohl wir wirklich viele Wochen Zeit hatten, uns an den Gedanken zu gewöhnen, fühlt sich alles erstmal ziemlich falsch an. Flughafen, Gepäckaufgabe, eine letzte Umarmung – und dann auf einmal allein in Spanien mit meinem Van. Not gonna lie: ich musste erstmal ein paar Mal sehr tief durchatmen und dem Impuls widerstehen, direkt Richtung Norden statt Süden zu fahren und hätte ich mein Fährticket für die Kanaren nicht schon gebucht, hätte ich es vielleicht sogar gemacht.

Aber zum Glück habe ich mir für die ersten Tage allein schon einen ungefähren Plan zurecht gelegt, damit ich nicht ganz so verloren durch die Weltgeschichte fahre, und mein erster Stopp war Vejer de la Frontera – eines von Andalusiens berühmten weißen Dörfern. Vielleicht sogar das Schönsten von allen. Also ging es vom Flughafen Sevilla 1,5 Stunden weiter südlich auf die erste Etappe meiner Solo-Reise.

Und ich glaube es hätte kein besseres Ziel dafür geben können: schon aus der Ferne sieht das weiße Dorf, dass sich anmutig um einem Hügel windet, traumhaft schön aus und ich verspüre das bekannte Kribbeln in den Fingern, dass ich immer dann bekomme, wenn es ich einen neuen Ort entdecke. Der Name ist Programm: bis auf die alte Stadtmauer und die Kirche an der Spitze des Hügels sind wirklich alle Häuser ausnahmslos weiß und glitzern richtig in der Sonne. Von meinem Parkplatz habe ich einen perfekten Blick auf das terassenförmig aufgebaute Dorf und nur ein kurzer 15-minütiger Spaziergang trennt mich von den vielen verschlungenen Gassen. Also los.

Ich hab mir im Voraus absolut keine Pläne gemacht, was man sich hier unbedingt anschauen sollte und wo es was zu sehen gibt – mache ich eigentlich nie. Für mich ist der beste Weg, einen neuen Ort zu erkunden, immer noch das Sich-Treiben-Lassen-Prinzip. Und dafür eignet sich Vejer de la Frontera auf jeden Fall. Es ist relativ klein und überschaubar und von daher super zu Fuß zu erkunden, aber durch die vielen kleinen Gassen sollte man auf jeden Fall trotzdem 2-3 Stunden einplanen, weil man sich das ein oder andere Mal im Gewirr der Gassen verliert. Hier gibt es überall kleine Concept Stores und Kunsthandwerksläden, schicke, eher touristische Restaurants an jeder Ecke und natürlich laufen überall heimatlose Katzen durch die Straßen, um die ich mir aber absolut keine Sorgen mache, denn ich glaube sie werden von den Einheimischen mehr als genug versorgt. Ab und zu kann man einen Blick in die typisch andalusischen Hinterhöfe erhaschen, die den Bewohner in der sommerlichen Hitze ein kühles Plätzchen verschaffen. Und manchmal sieht man sogar Schilder an den Häusern, die vorbeigehende Besucher dazu einladen, einzutreten und einen noch intimeren Blick auf das Leben der Dorfbewohner zu erhaschen. Tag der offenen Tür sozusagen. 

Nachdem ich ein bisschen herumspaziert bin, habe ich mich ins „The Singular Coffee“ gesetzt und ein bisschen gejournalt und gearbeitet und danach ein paar Postkarten gekauft und auf Helong’s Balkon, dem „Hauptplatz“ des Dorfes, geschrieben und den Spaniern bei ihrer Siesta zugeschaut. Januar ist selbst in Andalusien absolute Nebensaison und deshalb hatte ich das Glück, den Ort ziemlich authentisch und ohne die großen Touristenmassen sehen zu können.

Auf dem Rückweg zum Auto habe ich dann noch über eine Stunde mit einer lieben Freundin telefoniert, die ich ewig nicht gesprochen hatte, und damit ist der erste Tag ohne Chris eigentlich ziemlich gut verlaufen. Es hätte definitiv schlimmer sein können.

Für die erste Nacht alleine im Van habe ich mir dann einen Parkplatz in einem total malerischen kleinen Dorf unterhalb von Vejer gesucht – der Parkplatz liegt in der Ortsmitte von Santa Lucía und ist gleichzeitig Ausgangspunkt eines 8km langen Rundwanderwegs, den ich am nächsten Tag gehen wollte. Ich hab mich dort sehr sicher gefühlt und wirklich gut geschlafen und wurde am nächsten Tag mit strahlendem Sonnenschein und dem wärmsten Tag seit langem geweckt.