#017 – Gibraltar

Ich weiß nicht, wem ich das erzählen muss, aber: Gibraltar ist UK! Also England. Ein kleines Stück Britannien zwischen Spanien und Afrika. Wie verrückt ist das eigentlich. Und natürlich hab ich das irgendwann in meinem Leben schonmal gehört und gewusst, aber ehrlich gesagt hab ich einfach nicht daran gedacht. Seit ich vor ungefähr 2 Wochen in Tarifa, dem südlichsten Zipfel von Spanien, angekommen bin, hab ich mit dem Gedanken gespielt, einen Ausflug nach Gibraltar zu machen und war eigentlich eher so in „mal sehen ob es sich ergibt“ Stimmung. Bis mir wieder eingefallen ist, dass Gibraltar zur UK gehört und das heißt: englisch-sprachige Bücher (die hier in Spanien sonst gar nicht mal so leicht zu finden sind und wenn, dann gibt es nur eine kleine Auswahl), britisches Essen und britischer Vibe. Als ich dann auch noch von den frei lebenden Affen auf dem Upper Rock gehört habe, war die Sache klar: auf nach Gibraltar!

Obwohl ich ja jetzt schon seit ein paar Tagen allein unterwegs bin und überall alleine hinfahre, hat sich der Ausflug nach Gibraltar irgendwie anders angefühlt. Wie der erste richtige Ausflug als Solo-Travelerin. Immerhin überquert man eine Landesgrenze mit Passkontrolle und allem. Die Fahrt von Tarifa dauert nur eine gute Stunde und zieht sich wunderschön entlang der Küste mit traumhaften Ausblicken auf Afrika und die Straße von Gibraltar. Wenn man die Hafenstadt Algeciras hinter sich gelassen hat, folgt ein bisschen Autobahn und Industriegebiet und dann biegt man irgendwann um eine Kurve und sieht plötzlich Gibraltar vor sich auftauchen – oder besser gesagt „the Rock of Gibraltar“, denn eigentlich ist Gibraltar nicht viel mehr als ein großer Stein inklusive schönem Naturreservat, einem Jachthafen und einer kleinen aber feinen, sich terassenförmig an den Hügel schmiegenden Stadt.

Der Grenzort La Linea sieht noch typisch spanisch aus, so wie ich es seit Wochen kenne und nach der Grenze ist man auf einmal wirklich in England. Abgesehen von dem nicht ganz so britischen Wetter, schreit es förmlich nach UK. Die Architektur, die Straßenschilder, die Menschen (kein Scherz) und die Geschäfte – alles ist auf einmal komplett anders und im ersten Moment war ich ein bisschen perplex, wie sehr sich der ganze Vibe auf einmal verändert hat. Mein Weg führte mich dann eigentlich einmal komplett ans andere Ende der Stadt, links von mir der Rock und rechts der Ozean, bis zu einem großen Parkplatz, den ich mir schon im Vorhinein rausgesucht hatte. Ein sehr freundlicher Parkwächter hat mir dann erstmal die verschiedenfarbigen Zonen erklärt (gelb für Residents, weiß gratis und blau kostenpflichtig) und es war wirklich so eine tolle Abwechslung, sich gegenseitig ohne Probleme zu verstehen. Zum Glück habe ich direkt ein gutes Plätzchen für Vänilla gefunden. Direkt vom Parkplatz führt eine Seilbahn nach oben ins Naturreservat „Upper Rock“, wo man die Berberaffen von Gibraltar sehen kann, die aber natürlich nicht ganz günstig ist. Ich hab sie erstmal links liegen gelassen und mich auf den Weg in die Stadt gemacht. Erster Stopp: Buchhandlung und nach 10 Schritten auch direkt die erste rote Telefonzelle, worüber ich einfach nur schmunzeln musste.

Unterwegs ist es dann ein bisschen mit mir durchgegangen und ich hab lauter Dinge gekauft, von denen ich wusste, dass ich sie in Spanien nicht oder nur schwer bekomme: zwei Bücher, ein frisches Sauerteigbrot, mein Lieblings-Trockenshampoo und last but not least Heinz Beans und Marmite. Ich war absolut im Himmel und mein Jutebeutel absolut voll. Die Stadt ist wirklich übersichtlich und zu Fuß super machbar – ich bin hauptsächlich durch die Main Street geschlendert und ab und zu in einer der Seitengassen abgebogen, in denen sich Pubs und Tea Rooms aneinanderreihen. Beim Jachthafen im Ocean Village hab ich dann Kehrt gemacht und dachte: Jetzt will ich Affen sehen! Ohne groß zu überlegen oder mich im Vorhinein zu informieren, bin ich dem erstbesten Schild zum Devil’s Case, dem Weg, der ins Naturreservat führt, gefolgt und dachte irgendwie, dass ich nach ein paar Minuten bestimmt da bin. Inzwischen war das Wetter richtig schön und warm und die Wolken vom Vormittag hatten sich verzogen und eventuell hätte die Seilbahn am Parkplatz ein Hinweis dafür sein können, dass ich nicht mal eben schnell auf den Berg gehen und Affen sehen kann, sondern dass es sich dabei wirklich um eine richtige Wanderung handelt. Nach ungefähr 20 Minuten nur bergauf war mir in meiner langen Jeans definitiv ziemlich warm, meine Tasche definitiv ziemlich schwer und natürlich hatte ich auch kein Wasser dabei 😀

Aber umdrehen war auch keine Option – ohne Affen würde ich nicht zurückfahren. Außerdem wurde die Aussicht immer spektakulärer.

Auf ungefähr halber Strecke den Berg rauf (Status komplett durchgeschwitzt inzwischen erreicht) kam dann endlich der offizielle Eingang zum Naturreservat und eine kleine Hütte, in der man das Eintrittsticket kauft. 18§ kostet der Spaß selbst ohne Seilbahn , also gar nicht so wenig – und ich dachte nur „wehe ich sehe jetzt keine Affen“. Aber der junge Mann vom Ticketoffice war sehr lieb, hat mir versichert, dass man auf jeden Fall IMMER Affen sieht und mir noch ganz geduldig die Route erklärt. Also immer weiter bergauf und nach 10 Minuten kamen tatsächlich die ersten Affen in Sicht und  ab dem Moment hatte ich nur noch ein fettes Grinsen im Gesicht. Der Naturpark ist wirklich super schön und riesig und dadurch trifft man nur selten andere Menschen (zumindest war es bei mir so) und hat ganz viel Ruhe und Natur für sich allein. Nachdem ich ein paar stillgelegte Batterien aus der Kolonialzeit, verschiedene Aussichtspunkte und eine sehr hohe, sehr wackelige Schwebebrücke hinter mir gelassen hatte, war ich wirklich halb verdurstet und super froh über den kleinen Kiosk mit eiskaltem Wasser, der hinter der nächsten Kurve aufgetaucht ist. Und dann ist das absolute Highlight meines Tages passiert: man soll die Affen im Park ja weder füttern noch anfassen, sondern einen respektvollen Abstand halten, da es nicht selten vorkommt, dass sie ein bisschen gereizt auf die ganzen Menschenmassen reagieren und ich hatte wirklich die volle Absicht, mich daran zu halten. Als vor mir auf einmal ein kleiner Babyaffe aufgetaucht ist, war ich schon absolut zufrieden, ihn einfach nur anzugucken und 1-2 Fotos zu machen, als er plötzlich auf mich zugekugelt kam (ich weiß einfach nicht, wie ich es anders ausdrücken soll – er ist wirklich gerollt) und mit riesengroßem Interesse mein Perlenarmband befingert hat. Also in dem Fall hat definitiv er mich angefasst und mal ehrlich – wer würde da seine Hände wegziehen?! Ich hab mir auf jeden Fall kurz Sorgen um mein Armband gemacht und dachte dann im selben Moment, dass er es ruhig klauen kann wenn er mir einfach noch ein bisschen länger Gesellschaft leistet. Das wäre es zu 100% wert gewesen.

Nach dieser Begegnung war ich einfach nur noch super froh und stolz, dass ich mich entschieden habe, den Ausflug alleine zu machen, aber im gleichen Moment auch ein bisschen traurig, dass ich es mit niemandem teilen konnte. Da ist wohl einer der Nachteile vom Solo-Reisen. Inzwischen war es auch schon ziemlich spät und ich hatte wirklich gar keine Lust, den ganzen Weg zu Fuß zurück zu gehen – außerdem war mein Parkticket auch schon fast abgelaufen, also dachte ich, ich checke mal die Preise für die Seilbahn, um ganz gemütlich direkt runter zum Auto zu fahren. Als ich den Ticketkontrolleur nach einem Ticket gefragt habe, hat er mich einfach nur angezwinkert und mich durchgewinkt – wohl einer der Vorteile vom Solo-Reisen (als Frau) 😀 

Alles in Allem also ein sehr gelungener Ausflug und nachdem ich 6 Dosen Baked Beans und ein Glas Marmite den ganzen Weg mit mir rumgeschleppt habe, hab ich mich umso mehr auf ein typisches English Breakfast (in meinem Fall Dinner) zu Hause gefreut.